Pressemitteilung zur geplanten „intelligenten Überwachung“ in der Pforzheimer Innenstadt

01. November 2020  Allgemein

Im am 28.10.2020 in der Pforzheimer Zeitung veröffentlichten Artikel, zur geplanten Installation von intelligenter Überwachungstechnologie am Leopoldplatz, wird suggeriert, dass in der Stadt Pforzheim aufgrund schlechter Sicherheitslage sowie einer latent vorhandenen Bedrohung an sogenannten „Brennpunkten“ laut Stadtverwaltung eine solche Überwachungstechnologie notwendig sei, um dem Sicherheitsbedürfnis der Einwohner*innen dieser Stadt Rechnung zu tragen.

Darüber hinaus wurden Statistiken thematisiert, die eben jenes negative Stimmungsbild nach Stadtteilen aufschlüsselt. Hier werden insbesondere
die Oststadt, die Nordstadt und die Innenstadt genannt.

Wir möchten hierzu klarstellen:

• Die offiziellen Zahlen der Polizei sanken 2019 laut Kriminalstatistik auf ein 10-Jahres-Tief – auch bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Straßenkriminalität und Körperverletzung. Das Polizeipräsidium Pforzheim verwaltet nach eigenen Berichten den sichersten Zuständigkeitsbereich in Baden-Württemberg.

• Die genannten „Brennpunkte“ sowie Stadtteile weisen einen, auch für Pforzheim, hohen Anteil an Mitbürger*innen mit Migrationshintergrund auf. Eine Überwachung, die aufgrund solcher Argumentationslinien durchgesetzt werden soll, hat eindeutig Tendenzen eines „racial profiling“ und schürt somit weiter leider vorhandene Vorurteile und Ressentiments.

• Auch die Freigabe des Landesdatenschutzbeauftragten täuscht nicht darüber hinweg, dass ein derartig auf Algorithmen und programmierten Bewegungsabläufen ausgerichtetes System nichts weiter als ein weiteres Instrument zur durchgängigen Überwachung darstellt. Das Argument, dass dies der Sicherheit dienlich sein soll, entkräftet die bereits erwähnte Kriminalstatistik.

• Die Kosten für diese Maßnahme sind nicht zu rechtfertigen wenn wichtige soziale Projekte und Einrichtungen, beispielsweise wertvolle Angebote wie die Beratungsstelle Plan B oder die AIDS-Hilfe Pforzheim (und viele weitere) in der Regel gar nicht von der Stadt gefördert werden. In Heidelberg wurde 2017 für 17 Kameras 122.100 € bezahlt. Im Pforzheimer Gemeinderat wurde zuletzt über 10.000 € für die Existenzerhaltung der Anlaufstelle Essstörungen bei Plan B diskutiert.

Wir möchten keineswegs das subjektive Sicherheitsgefühl von Mitbürger*inenen kleinreden oder gar negieren. Allerdings griff eben dieser Sicherheitsreflex bereits in den Jahren der ersten in Pforzheim eingetroffenen Gastarbeiter*innen, als italienische, spanische, griechische und türkische Mitbürger*innen stigmatisiert, mit Stereotypen behaftet und ausgegrenzt wurden.

Die Lösung liegt daher für uns nicht in der permanenten Überwachung von Teilen der Stadt oder Teilen der Bürgerschaft, sondern vielmehr in die Intensivierung der Integrationsanstrengung, Stadtteilsozialarbeit und weitere interkulturelle Angebote des Zusammenkommens und gegenseitigen Verstehens.

Das aktuell geplante Vorgehen der Stadtverwaltung hingegen schürt Konflikte und Stigmatisierung und ist Wasser auf den Mühlen eben jener, die unsere vielfältige Gesellschaft, die insbesondere in Pforzheim in besonderer Weise gelebt wird, als gescheitert ansehen und das Rad der Geschichte gerne wieder in eine Zeit zurückdrehen würden, als eine sogenannten homogene Bevölkerung als Ideal empfunden wurde. Anders kann man sich gewisse Vorurteile und Fehlinterpretationen von Statistiken nicht erklären.