Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Boch, sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Büscher, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Schüssler, sehr geehrter Herr Bürgermeister Fillbrunn,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
dieser von Ihnen, Herr OB Boch, vorgelegte Haushaltsentwurf ist ohne jede Vision oder kreative Ideen und spiegelt lediglich die prekäre finanzielle Lage der Stadt Pforzheim wider.
Wir müssen leider sagen: es war nicht anders zu erwarten.
Denn Sie, Herr Oberbürgermeister Boch, haben keine Vision oder rettende Idee für diese Stadt. Die Themen familienfreundliche Stadt oder Smart City sind beliebige, komplett inhaltsleere Schlagwörter und in keiner Weise identitätsstiftend. Im Übrigen hat der Gemeinderat zu keiner Zeit entschieden, dass dies politisch gewollt ist.
Darüber hinaus haben Sie eine Strukturdebatte über den Haushalt verhindert. Sie haben den mühsam per Mehrheit beschlossenen Haushaltsstrukturausschuss auf Eis gelegt und gedacht wir brauchen das nicht oder Sie und die Verwaltung können das bisschen Haushaltstruktur alleine…
Ihre dann doch beschlossene Einbindung des Gemeinderates in die Haushaltsaufstellung war gut gedacht, aber schlechtgemacht. Wir fanden uns in langen Vortragsrunden wieder, die nicht gut vorbereitet waren. Eine Interaktion mit der Verwaltung fand dabei kaum statt.
Und nachdem Ihnen Frau RP Kressl ins Gewissen geredet hat, wurde in panischer Hektik und völlig unvorbereitet der Haushaltsstrukturausschuss wiederbelebt – 2 Wochen vor Druck des Haushaltes. Wir hatten und haben das Gefühl, da handelt jemand völlig planlos.
Tja, und jetzt liegt uns ein Haushaltsentwurf vor, der im Grunde unverantwortlich ist. Ein Haushalt, in dem Sie, Herr Oberbürgermeister, Ihre Wahlgeschenke versucht haben reinzupacken.
Und das Beste ist: ab 01.01. nächstes Jahr sind Sie nicht mehr für Finanzen zuständig. Respekt, sich so dieser Verantwortung zu entziehen! Zumindest das haben Sie clever gemacht.
Wir werden uns bei den Haushaltberatungen für folgende Themen einsetzen:
- Bei dieser finanziellen Lage der Stadt darf die Gewerbesteuer nicht gesenkt werden. Sie verzichten ohne Not auf 2 Mio. € Einnahmen, die wir für den Erhalt der Bäder dringend benötigen. Dabei sagten Sie selbst in Ihrer Haushaltsrede die 10 Punkte Steuersenkung bringt im Grunde nichts.
- Die Rücknahme der Kürzungen bei der AIDS-Hilfe und dem Zentrum für Hörgeschädigte. Es geht dabei um kleine Beträge und beide Einrichtungen müssten schließen, wenn die Kürzungen beschlossen würden.
- Die Rücknahme der Kürzung des Kulturhaus Osterfeldes ab 2020. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Mittel für das Theater und SWDKO fortgeschrieben werden, damit die Einrichtungen wie gewohnt existieren können. Aber beim Kulturhaus wird gestrichen.
- Im Wohnungsbau bestehen wir auf die Umsetzung des Bürgerwillens, wie er im Masterplan gefordert wird mit der Schaffung ausreichend bezahlbaren Wohnraums. Das ist für unsere Stadt, in der mehr als 25 000 Menschen an oder unter der Armutsgrenze leben, dringend notwendig. Wohnen ist ein Grundrecht. Es ist ein Skandal, dass die Mehrheit des Gemeinderates dieses Thema seit Jahren ignoriert. Damit missachten Sie die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind.
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Die Umsetzung des Radverkehrskonzeptes muss dringend vorangetrieben werden. Im Haushalt sind dazu fast keine Mittel eingestellt!
Im Leitbild des Verkehrsentwicklungsplans von 2008 war das Ziel ausgegeben: 50% der Wege in der Stadt sollen per Fuß, Rad oder mit dem ÖPNV zurückgelegt werden. 10 Jahre später steht fest: die Verkehrspolitik des Gemeinderates und der Verwaltungsspitze hat versagt. Pforzheim schneidet nach der Studie „Mobilität in Deutschland“ mit 38% am schlechtesten ab von allen baden-württembergischen Städten und ist unter dem Durchschnitt in Baden-Württemberg.
Der privatisierte ÖPNV ist von 17% auf 10% Anteil gefallen. Der Radverkehr dümpelt bei 3%-6% vor sich hin. Und Fußgänger waren in unserer „autogerechten“ Stadt schon immer arm dran.
Während Städte wie Aschaffenburg die Entscheidung treffen, samstags kostenfreien ÖPNV anzubieten, fällt Ihnen Herr OB Boch mit ihrer Bahama-Mehrheit, nichts Besseres ein als für die Autofahrerlobby mit der Brötchentaste das Verkehrschaos weiter zu befeuern und noch mehr Autos in die Innenstadt zu locken. Pforzheim als umweltfreundliche E-Bike-City! Das wäre smart und eine positive Vision für unsere Stadt, die auch politisch-inhaltlich eine Botschaft sendet. - Wir werden uns weiter einsetzen für die Zusammenlegung von Wirtschaftsförderung und Beschäftigungsförderung sowie für die Bereiche Tourismus- und Kulturmarketing mit dem Kulturamt. Wir denken, dass hier Synergieeffekte möglich sind.
- Wir fordern eine Erhöhung des Zuschusses an Sportkreis und SJR sowie die Erweiterung des Budgets für den Internationalen Beirat.
- Schließlich stellen wir erneut zur Diskussion eine Reduzierung der Aufwandsentschädigung für den Gemeinderat genauso wie eine Reduzierung der Sachkosten des Gemeinderates und des Jugendgemeinderates. Beginnen wir das Sparen bei uns den politischen Vertretern selbst – das ist konsequent und ein positives öffentliches Zeichen.
Das alles sind nur „Reparaturen“ an einem Haushalt, der durch die letzte Haushaltskonsolidierung gezeichnet ist. Neben den aufgezählten Themen wären viel mehr Investition in den Bereichen Soziales, Bildung und Integration notwendig. Denn die gesellschaftliche Spaltung in Arm und Reich ist in unserer Stadt exemplarisch zu betrachten. Sie (Diese Spaltung) ist der eigentliche Grund – oder soll ich sagen die „Mutter aller Ursachen“ – für die gesellschaftliche und politische Bewegung nach rechts – in unserem Land, hier in Pforzheim und in diesem Gemeinderat.
Die Spaltung der Gesellschaft ist keine Naturgewalt. Es ist das Ergebnis der neoliberalen Politik der herrschenden Parteien in den letzten 15 Jahren.
Eine unsoziale Sozialpolitik, die Armut und Niedriglohnsektor ausweitet.
Eine Steuerpolitik, die leistungslosen Kapitalertrag und millionenhohe Erbschaften weniger besteuert als Einkommen durch (harte) Arbeit.
Es ist offensichtlich, dass die Regierenden in Bund und Land durch eine chronische Unterfinanzierung der Pflichtaufgaben und der gesellschaftlich notwendigen Aufgaben wirtschaftsschwache Kommunen wie Pforzheim am langen Arm verhungern lassen.
Tja, und damit sind wir bei den Bädern… das Glanzstück politischer Verfehlungen in Pforzheim.
Am 13. Oktober wurden Sie, Herr Oberbürgermeister Boch, in der Presse zitiert mit der Aussage „Es braucht noch in diesem Jahr eine Entscheidung!“ und weiter „Ich will der Bürgerschaft nicht erklären müssen, dass wir in Sachen Bäder nicht weiterkommen“.
Aber fest steht: Sie machen nichts für eine Erhaltungsstrategie der Bäder. Letzten Freitag haben Sie uns mitgeteilt, Sie wollen nun übermorgen während der Haushaltsberatungen eine „konzeptionelle Überlegung“[1] vorstellen, um die „Möglichkeit der modularen Entwicklung des Wartbergbades zum ‚Bürgerbad‘“[2] zu diskutieren. Wir wissen nicht was das bedeutet.
Aber wenn wir in den Haushalt blicken, dann stellen wir fest: Sie senken lieber die Gewerbesteuer statt Bäder zu erhalten. Kostenloses Parken ist Ihnen wichtiger als Bäder. Aber Schwimmbäder sind auch Stadtkultur, bei der sich alle gesellschaftlichen Schichten begegnen. „Wer Schwimmbäder schließt, […] Der hat das mit dem Sozialen und dem Zugang zur Kultur für alle nicht verstanden oder will es nicht verstehen.“[3]
Deshalb fordern wir Sie auf, Herr Oberbürgermeister Boch, unterbreiten Sie dem Gemeinderat endlich einen mehrheitsfähigen
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[1] Brief OB Boch vom 30.11.2018
[2] ebenda
[3] Taz am Wochenende vom Juli 2018, http://www.taz.de/!5518523/
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Vorschlag für die Finanzierung des Gemeinderatsbeschlusses vom März dieses Jahres.
Wir danken der Verwaltung, insbesondere Herrn Weber und seinem Team für die Erstellung des Haushaltsentwurfs.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.